Gärtnern im Elementarbereich
Rund 3,9 Millionen Kinder besuchen laut der Seite des Statistischen Bundesamtes www.destatis.de derzeit eine von etwa 60.000 Kitas in Deutschland. Diese unter dem Suchbegriff »Kindertagesbetreuung in Deutschland« zu findenden Zahlen (Stand Mitte August 2024) vermitteln eine Ahnung, wie viele damit verbundene Außengelände und Gärten es etwa gibt. Impulse dafür, das neue Kitajahr auch zum neuen Kita-Gartenjahr zu machen, gibt die Kunsttherapeutin Sandra Küchlin.
Ankommen, vertraut werden, sich mit dem Gegebenen verbinden, einen gemeinsamen Rhythmus finden und eine Gruppe werden. Das sind erfahrungsgemäß die wesentlichen Aufgaben für den Beginn eines jeden neuen Kitajahres. Eine Möglichkeit, dieses auch zum Beginn eines neuen Kita-Gartenjahres zu machen, sind die zu dieser Zeit bevorstehenden Jahresfeste wie Erntedank oder Michaeli.
Kürbiswunder
Lea und Rasmuss stehen nah beieinander im Außenbereich und staunen über etwas Oranges unter und zwischen den großen und dicht wachsenden Blättern im Gemüsebeet. Die Aufregung ist groß, denn im Frühling haben wir genau hier eine geschenkte Jungpflanze von Malins Eltern eingepflanzt. Weitere Kinder kommen hinzu, darunter auch Malin. Sie staunen nicht schlecht, als Lea mutig die Blätter hochhebt, um genauer zu schauen. Da sind tatsächlich mehrere Hokkaidokürbisse gewachsen. Für einen Moment weicht die Aufregungen einem stillen Staunen über das unverhoffte Kürbiswunder. Ein Moment, in dem es mir so vorkommt, als würden in unserem Garten nicht nur Kürbisse, sondern auch Kinder wachsen. Durch leichtes Klopfen auf die Schale finden wir heraus, dass zwei Kürbisse reif sind. Sie hören sich dumpf und hohl an. Dabei haben die Kinder bemerkt, dass der Stil vom Kürbis dick ist, ziemlich piekst und viel zu groß ist, um ihn wie eine Tomate vom Strauch zu pflücken oder zu ziehen. Mit einer Schere, die ich aus dem Gartenhäuschen hole, gelingt uns die Ernte, und nachdem die Kürbisse durch mehrere Hände gewandert sind, tragen Rasmuss und Lea sie in unseren Gruppenraum. Ein Teil der Kinder begleitet uns nach Drinnen, andere ziehen mit einer Schnecke, die sie während der Ernte unter einem Blatt gefunden haben, weiter durch den Garten.
Immer ein Fest
Zur Erntedankzeit haben wir unseren kleinen Tisch aufgestellt, um ihn nach und nach mit Allerlei aus unserem Garten zu schmücken. Zu den Zucchinis, einigen Wildtomaten, Strohblumen und den auf einem Spaziergang gesammelten Hagebutten und Walnüssen legen sie die Kürbisse. In einigen Tagen werden wir, als Abschluss des Erntedankfestes, daraus eine leckere Suppe kochen. Für manche Kinder ist das Anbauen, Ernten und Verarbeiten von Gemüse eine ganz neue Erfahrung – und manchmal berichten Eltern überrascht, dass ihr Kind voller Begeisterung vom leckeren Gemüse erzählt, wo es doch zu Hause gar keines isst. Die Idee, einen Garten als ergänzenden Lebens- und Lernraum und die damit anfallenden Arbeiten in den pädagogisch begleiteten Alltag einzubeziehen, ist nicht neu. Bereits Friedrich Fröbel (1782-1852), der Begründer des Kindergartens, hat in seinem Kindergartenkonzept ein Außengelände mit Gärten für ein gemeinsames Tätigwerden und Tätigsein vorgesehen. Mit seiner Vision, im Jahreslauf sinnlich erfahrbar zu machen, dass jeder Mensch in einen großen kosmischen Zusammenhang eingebunden ist, verfolgte er mehrere Ziele. Zum einen wollte er Kindern über die Aussaat von Samen, deren Wachstum, Pflege, Ernte und Verarbeitung, wiederkehrende Lebens- und Arbeitsprozesse vermitteln. Zum anderen aber auch, welche Auswirkungen ihr eigenes Verhalten oder die Natur auf sie selbst oder auf das Pflanzenwachstum haben kann: Wenn wir eine Pflanze nicht gießen oder es nicht ausreichend regnet, vertrocknet sie, und das Summen der Bienen verstummt.
Sandra Küchlin ist Autorin, Kunsttherapeutin und Mitakteurin im weltweiten Färbergartennetzwerk sevengardens. Seit ihrer Ausbildung zur Erzieherin setzt sie sich für eine liebevoll begleitete und vielfältig lebendige Kindheit in und um Kita-Gartenräume ein. In dem von ihr im Herbst 2023 herausgegebenen Buch Mit Kindern im Garten. Zukunftsräume gestalten blicken mehr als 20 Beitragende aus unterschiedlichsten Kontexten vom Kitagarten bis weit über den Gartenzaun hinaus, um Potenziale, Erfahrungs-, Entfaltungs- und Zukunftsräume sichtbar zu machen.
Kontakt
www.gartenkinderzeit.de
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 09-10/2024 lesen.